Der Orden des geheimen Baumes von Samantha Shannon

[Rezension] Der Orden des geheimen Baumes von Samantha Shannon

Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich über The Priory of the Orange Tree im queeren englischsprachigen Buchraum gestolpert bin. Es schien sich sich mir förmlich aufzudrängen. Als schließlich klar war, dass das Buch eine deutsche Übersetzung erhalten sollte, allerdings aufgeteilt in zwei Bände, war ich mir sicher: Das wird ein Projekt, aber ein Projekt, das ich unbedingt angehen möchte. Zusammengefasst in einem Buch hätte die deutsche Übersetzung wohl locker die 1000er-Marke an Seiten geknackt. Doch was ist daran so besonders? Queere, feministische Fantasy mit drei starken Frauenfiguren, Liebesgeschichte miteingeschlossen. Die Bücher sind im September und Oktober 2020 im Penhaligon Verlag erschienen, haben je 544 Seiten und kosten je 20,00 €.

Kurzbeschreibung Inhalt

Die Welt ist gespalten in Ost, Süd und West, drei König:innenreiche mit unterschiedlichen Religionen. Der Osten verehrt Wasserdrachen als Gottheiten, der Westen denjenigen, der einst den Namenlosen Einen, ein übermächtiger Feuerdrache, bezwungen hat und verachten jegliche drakonische Verherrlichung. Der Süden hat durch den geheimen Orangenbaum stets Magierinnen hervorgebracht und hat sich der Ehrung der Mutter verschrieben. In jedem König:innenreich ist es eine Frau, die eine besondere Rolle spielt. Im Westen kämpft Königin Sabran darum, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und trotzdem ihr Volk vor Unheil zu bewahren. Im Osten ist es die Drachenreiterin Tane, die ungeahnte Kräfte in sich verbirgt. Und aus dem Süden entsandt ist es Eads Aufgabe, Sabran vor dem Tod zu schützen, während sich zwischen den beiden langsam ein zartes Band der Gefühle entspinnt. Um den erneuten Aufstieg des Namenlosen Einen zu verhindern, sind jedoch alle Kräfte der drei Frauen und vor allem deren Zusammenarbeit gefragt, wobei alte Fehden niedergelegt und bestehende Regeln neu gedacht werden müssen.

Meine Meinung

Fantasy ist und bleibt ein Genre, zu dem ich nur selten greife und das mir nach wie vor am meisten abverlangt. Neue Welten richtig zu begreifen und vollkommen darin abzutauchen erfordert viel Aufmerksamkeit und Vorstellungsvermögen. Ein gutes Fantasy-Buch macht uns in meinen Augen den Einstieg in die neue Welt leicht, führt uns langsam und behutsam an Regeln und Normen heran, sodass man von dieser Anstrengung, eine eigene Welt zu erfassen, kaum noch etwas mitbekommt.

Der Orden des geheimen Baumes* lässt sich Zeit und hat auf knapp 1100 Seiten auch genug Raum dafür. Die Geschichte wird aus den Sichtweisen dreier Haupt- und einiger Nebencharaktere erzählt, was mir sehr geholfen hat, unterschiedliche Beweggründe nachzuvollziehen. Die Autorin malt das Bild von außen nach innen, bis sich die Erzählstränge irgendwann begegnen, berühren und überschneiden. Erst nach und nach werden die Zusammenhänge klar und das Gesamtbild deutlich. Trotzdem gibt es keine Längen. Gewalt und Schlachten werden nicht verherrlicht, nicht bis ins letzte Detail beschrieben, sondern dienen nur dazu, die Handlung voranzutreiben und Emotionen wachsen zu lassen.

Trotzdem braucht die Geschichte einige Zeit, um in Fahrt zu kommen. Richtig gefangen war ich erst in der zweiten Hälfte des ersten Bandes und Feuer und Flamme für die Geschichte im Laufe des zweiten Bandes, denn dann passiert plötzlich alles Schlag auf Schlag und es lassen sich immer mehr Verbindungen zwischen den Erzählsträngen herstellen.

Ich mochte es, wie aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen Teil der Geschichte sind, obwohl sie in einer Zeit angesiedelt ist, die für uns schon deutlich zurückliegt. Alte Regeln neu zu denken, Grenzen zu überwinden für das Wohl der gesamten Menschheit, unterschiedliche Glauben zusammenzuführen und andere Denkweisen verstehen lernen – das sind hier zentrale Punkte, die für einen gemeinsamen Sieg über das böse zusammenkommen müssen und zusammenkommen werden.

Gleichzeitig sind unterschiedliche Sexualitäten sowohl vertreten als auch selbstverständlich akzeptiert. Allerdings stehen Beziehungen basierend auf Liebe häufig politische Allianzen im Weg, unterschiedliche Stände, die sich nicht verbinden dürfen oder die Pflicht, eine Thronfolgerin zu gebären. Trotz aller Widrigkeiten findet Liebe allerdings immer ihren Weg, und das ist das, woraus wir Hoffnung schöpfen.

Fazit

In Der Orden des geheimen Baumes* finden wir queerfeministische Fantasy, eine Gesellschaft, die über sich hinauswächst und Grenzen überwindet. Wir erleben die Geschichten dreier starker Frauen, die nur durch ihre Zusammenarbeit in der Lage sind, das große Unheil abzuwenden. Die Autorin lässt sich Zeit, uns in diese neue Welt einzuführen und lässt dabei doch keine Längen entstehen – es dauert lediglich eine Weile, bis die Handlung so richtig an Fahrt aufnimmt. Gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen sind hier selbstverständlich repräsentiert und insbesondere die zwischen Sabran und Ead hat es mir angetan. Eine Fantasy-Geschichte in zwei Bänden, die ich definitiv auch Genre-Einsteigenden empfehlen kann!

Humor: ●○○○○
Anspruch: ●●●●○
Spannung: ●●●●○
Liebe: ●●●○○
Erotik: ●●○○○
Originalität: ●●●●○

Weitere gern gelesene Eindrücke dazu:

Der Bücherwald* • Letterheart*

Eure Hannah 🙂

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4 Gedanken zu “[Rezension] Der Orden des geheimen Baumes von Samantha Shannon

  1. Ich gratuliere, denn ich bin im Laufe des ersten Bandes abgesprungen. High Fantasy ist einfach nicht mein Ding, ich scheitere jedesmal, da kann das Buch noch so sehr gelobt werden, mich interessiert das World Building in solchen Romanen einfach nicht.

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    • Ich kann dich da sehr gut verstehen, weil es für mich auch jedes Mal eine Überwindung und anstrengend ist, in eine neue Fantasywelt einzutauchen. Irgendwie scheint das anderen Menschen einfach leichter zu fallen. 😀 Inzwischen schaffe ich es aber bei einigen Büchern dranzubleiben, vor allem, wenn ich weiß, dass es sich lohnt. Und das war bei mir zumindest hier genau so. Vielleicht findet die Geschichte ja nochmal zu einem späteren Zeitpunkt ihren Weg zu dir.

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  2. Wirklich eine sehr schöne Rezension 🙂 Die Reihe ist für mich definitiv ein Jahreshighlight. Ich bin so fasziniert vom Worldbuilding es ist echt mal was neues und vor allem hat es die Autorin geschafft, dass bei mir der Film im Kopf läuft. Absolutes Leseerlebnis 💕

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