Riss in der Zeit Cover (© Verlag Krug & Schadenberg)

[Rezension] Riss in der Zeit von Ahima Beerlage

Ich liebe die Geschichten aus dem Verlagssortiment von Kurg & Schadenberg! Der kleine Berliner Verlag hat sich auf anspruchsvolle lesbische Literatur spezialisiert und nach einer kleinen Pause nun Riss in der Zeit* von Ahima Beerlage veröffentlicht. Zuletzt habe ich von der Autorin die Biografie Lesbisch. Eine Liebe mit Geschichte gelesen, worin sie auf die LGBTQ-Bewegung der letzten vier Jahrzehnte aufmerksam macht und daran appeliert, in der Community auch generationsübergreifend wieder mehr ins Gespräch miteinander zu kommen. Es folgt die erste Trigger-Warnung auf meinem Blog, weil ich sie hier für sehr wichtig halte: Amoklauf, Angststörungen, Panikattacken.

Das Buch ist im April 2020 erschienen, hat 272 Seiten und kostet 16,90 €.

Kurzbeschreibung Inhalt

Jana hat gerade ihren ersten Einsatz als Restaurateurin an einer alten Kirche abgeschlossen und wird auf einem Foto von der Einweihungsfeier von einem Reporter enttarnt – als diejenige, die zehn Jahre zuvor als Teenager Grauenvolles erleben musste und von der Presse ins Unermessliche verfolgt wurde. Von ihrem alten Leben hat sie ihrer Partnerin Frauke nie erzählt, da sie seitdem mit einer Angststörung zu kämpfen hat… Wie viel Publicity hält eine Beziehung aus? Können die beiden die Situation meistern?

Meine Meinung

Immer wieder werden Amokläufe in Romanen thematisiert, da sie leider zur Lebensrealität unserer Gesellschaft gehören, auch wenn sie zum Glück eher eine Seltenheit sind. Im Jugendroman 54 Minuten von Marieke Nijkamp zum Beispiel erleben wir das Ereignis selbst aus verschiedenen Blickwinkeln, doch nur selten erfahren wir etwas Konkretes über die direkten Angehörigen des Täters. Wie sie sich damit fühlen und mit dem Ereignis leben. Jana ist die jüngere Schwester eines Amokläufers, dessen Tat zehn Jahre zuvor zahlreiche Opfer gefordert hat, bis er sich schließlich selbst das Leben genommen hat.

Wie geht es danach für dessen Familie weiter? Welche Mitschuld tragen seine Angehörigen? Hätte jemand nicht etwas ahnen müssen und so die Tat verhindern können? Angehörige stehen im Kreuzfeuer der Presse und der Gesellschaft, da ein lebender Sündenbock gebraucht wird, wenn der eigentliche tot ist. Dieser Roman beschäftigt sich auf glaubhafte Weise damit, wie skrupellos die Presse vorgehen kann, um eine Schlagzeile zu bekommen. Wie verdrehte Tatsachen Betroffenen das Leben zur Hölle machen können und sie keinen Fuß mehr vor die Tür setzen, geschweige denn sich im virtuellen Raum aufhalten können, ohne Opfer von Hassattacken zu werden.

Der Roman beschäftigt sich außerdem damit, wie viel eine Beziehung aushalten kann, die auf einem unehrlichen Fundament aufgebaut wurde. Wenn plötzlich alles ins Wanken gerät und man kaum den gegenseitigen Halt findet. Die Geschichte zeigt, wie sehr Angststörungen das eigene Leben beeinflussen können und dass es leichter wird, je offener Betroffene mit ihren Auslösern umgehen. Auch bedingungslose (Frauen-)Solidarität spielt hier eine Rolle, die Jana und Frauke hilft, mit ihrer Situation umzugehen.

Der Schreibstil lässt mitfühlen. Janas Ängste werden greifbar und auch das Vertrauen, das sie nach und nach aufbaut. Außerdem habe ich selten eine so selbstverständlich gegenderte Sprache erlebt – da können sich einige Autorinnen und Autoren eine Scheibe abschneiden!

Fazit

Riss in der Zeit* ist ein spannender Roman darüber, wie es für die Angehörigen eines Amokläufers nach der Tat weitergeht. Welchen Einfluss ein solch erschreckendes Szenario auf die eigene Psyche und den Lebensalltag haben kann. Wie sensationsgeil einige Jouranlisten immer auf der Suche nach der nächsten Schlagzeile sind und damit das soziale Leben von Menschen fast vollständig zum Erliegen bringen können. Es geht darum, wie eine sonst auf Vertrauen und Liebe aufgebaute Beziehung mit Ereignissen fertig wird, die lange gut gehütet versteckt waren und nun durch Fremdeinwirkung ans Tageslicht gezerrt werden. Das alles mit einer selbstverständlich gegenderten Sprache, die in den meisten Romanen noch nicht selbstverständlich ist. Eine Empfehlung an alle, die mal eine etwas andere Geschichte mit lesbischen Protagonistinnen suchen.

Humor: ●●○○○
Anspruch: ●●●○○
Spannung: ●●●○○
Liebe: ●●●○○
Erotik: ●○○○○
Originalität: ●●●○○

Weitere gern gelesene Eindrücke dazu:

AVIVA Berlin*lesbianchic*

Eure Hannah 🙂

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2 Gedanken zu “[Rezension] Riss in der Zeit von Ahima Beerlage

  1. Dankeschön, liebe Hannah, für diese schöne, wertschätzende und empfehlende Besprechung! Ich freue mich sehr über die Anerkennung, die in Deiner Rezension deutlich wird! Herzlich, Andrea

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