Auf der Buchmesse 2018 lernte ich den Berliner Blogger und Fantasy-Autor Christian Handel kennen. Kurze Zeit später hielt ich sein Debüt Rosen und Knochen in den Händen, eine düstere Märchenadaption von Hänsel und Gretel, in dem die beiden Dämonenjägerinnen Muireann und Rose als Paar im Fokus stehen. Inzwischen hat er nicht nur ein Jugendbuch in einem großen Verlag veröffentlicht, sondern gleich ein zweites hinterhergeschoben. In diesem Fall eines, das neben einer spannenden Fantasy-Story eine gleichgeschlechtliche Liebesgeschichte erzählt: die von Rowan und Ash*. Das Buch ist im Juli 2020 im Ueberreuter Verlag erschienen, hat 416 Seiten und kostet 17,95 €.
Kurzbeschreibung Inhalt
Wie seine Zukunft aussehen wird, weiß Rowan schon, seit er klein ist: Er wird die Kronprinzessin von Iriann heiraten, um seine Familie zurück zur Macht zu verhelfen. Als Rowan zu ihrem Geburtstag in die Stadt reist, zeigt sich, wie viel von ihrer beider Verbidnung abhängt. Denn nur gemeinsam werden sie es schaffen, die Magie zu bändigen, die vom Schattenlabyrith ausgeht, in dem die dunkle Hexe gefangen gehalten wird. Die Lage spitzt sich zu, als immer mehr Schattenkreaturen entkommen und den tödlichen Hexenbrand verbreiten. Doch was ihrem Plan vor allem im Weg steht, ist dass Rowans Herz eigentlich für den Königssohn Ash liebt. Als dieser ihn nach einem Jahr in Iriann wiedertrifft, scheint das Chaos perfekt. Für welchen Weg wird Rowan sich entscheiden – Vernunft oder Liebe?
Meine Meinung
Selten erhalten queere Own-Voices-Titel deutschsprachiger Autoren so viel Aufmerksamkeit, geschweigedenn werden sie überhaupt in einem großen Verlag veröffentlicht. Als ich erfahren habe, dass in diesem Fall sogar der Verlag dem Autor vorgeschlagen hatte, doch auch mal ein Buch mit queerer Liebesgeschichte zu schreiben, war das für mich ein wahnsinnig schönes Gefühl. Denn das bedeutet einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. Ein weiterer Schritt, jede Form der Liebe für die Gesellschaft sichtbar und selbstverständlich zu machen.
Christian Handel hat in Rowan und Ash* eine spannende Fantasygeschichte mit dem Coming-out und der ersten Liebe zwischen zwei jungen Männern vereint. Sie spielt in einer Welt, in der Homosexualität alles andere als akzeptiert ist, geschweigedenn großartig wahrgenommen wird. Diese Ausgangssituation macht deutlich, wie schwierig es auch heute noch für viele Jugendliche ist, ihre Seuxualität zu erkennen und anzunehmen und wie viel Mut es erfordert, sich den eigenen Weg zu bahnen. Rowan ist seit seiner Kindheit mit Alyss verlobt und strategische Vermählungen sind nichts besonderes. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Rowan eine andere Person als die ihm vorgeschriebene liebt; so fühlt er sich doch ausgerechnet zu Ash hingezogen, dem das ein oder andere Techtelmechtel mit jungen Männern nachgesagt wird.
Besonders angesprochen hat mich jedoch die Verbindung mit der Fantasywelt, da ich eine Coming-out- bzw. Coming-off-Age-Geschichte noch nie in dieser Form gelesen habe. Ich schätze, man hat dadurch einfach auch mehr künstlerische Freiheit im Weg, den die Geschichte nimmt. Es geht hierbei um das Schattenlabyrinth, das einst ein prächtiges, weißes Schloss gewesen ist, in dem der König mit seiner Gemahlin lebte. Doch eines Tages entbrannte ein Kampf um Leben und Tod zwischen der Hexe und den Sterblichen, wobei kaum etwas übrig blieb bis auf diese Ruine, die eingeperrte Hexe und die Schattenkreaturen mit ihrem Hexenbrand. Magie gehört zur Realität dazu, allerdings ist sie nur noch als Überrest der Elfen vorhanden, die schon lange verschwunden sind, und geht in Wogen vom Schattenlabyrinth aus. Immer dann, wenn die Hexe sich zu befreien versucht, sagt man sich. Jedoch gibt es Artefakte, spezielle Gegenstände, die nur durch diese Magie ihre Wirkung entfalten können. Es gibt eine eigene Akademie, in der Magie gelehrt wird, die einfach so nebenbei im Alltag besteht, ohne einen zu großen Raum einzunehmen. Dadurch eignet sich die Geschichte auch besonders für Fantasy-Anfänger oder diejenigen, die Fantasy eigentlich gar nicht mögen.
Der Autor erzählt die Geschichte weitgehend ruhig mit feiner Beobachtungsgabe. Die große Spannung kommt erst im letzten Drittel des Buches auf, nachdem Rowan seine Sexualität und dadurch auch seinen individuellen Weg angenommen hat. Die Liebesgeschichte bahnt sich zart an und wird irgendwann überdeutlich, sodass sie für niemand mehr zu leugnen ist. Besonders die Beschreibungen der ersten Begegnungen von Rowan und Ash sind so feinfühlig und einprägsam, dass sie sich fest in mein Herz gebrannt haben.
Fazit
Rowan und Ash* ist eine Coming-off-Age-Geschichte, die das Coming-out, die erste Liebe zwischen zwei jungen Männern mit einer spannenden Fantasy-Welt verbindet. Eine Kombination, die ich bisher so noch in keinem anderen Buch erlebt habe. Die Liebesgeschichte ist dabei zart herausgearbeitet, lässt jedoch genug Raum für die Bedrohung durch das Schattenlabyrinth, wofür es eine Lösung zu finden gilt. Viele von Rowans Ängsten, die mit seiner Homosexualität einhergehen, lassen sich in unsere Welt übertragen und verdeutlichen die Herausforderungen, mit denen nicht-heteronormative Jugendliche auch heute noch häufig zu kämpfen haben. Insgesamt kann ich das Buch allen empfehlen, die Fantasy gerne in Maßen genießen und Wert auf das Zwischenmenschliche vor dem Hintergrund einer spannenden Rahmenhandlung legen.
Humor: ●●○○○
Anspruch: ●●○○○
Spannung: ●●●○○
Liebe: ●●●●○
Erotik: ●○○○○
Originalität: ●●●○○
Weitere gern gelesene Eindrücke dazu:
Buchstabenträumerei* • Nenis Welt* • Kielfeder*
Eure Hannah 🙂
Ich muss ja gestehen, dass ich dem Buch zwiespältig gegenüber stehe. Es kommt selten vor, dass ich aufgrund von Büchern wütend werde, aber dieses Buch hat es geschafft. Im Großteil des Buches geht es um Erwartungshaltungen von Familien, die Angst vor dem Coming Out, gesellschaftliche Ächtung und dann werden Königin und Jäger von ihrem Fluch befreit und der Rest ist Händchenhalten und Küsschen hier und Küsschen da – Ende… WTF, die Auflösung, das Coming Out, die Auflösung der Verlobung, wie reagiert die Gesellschaft, werden komplett außen vor gelassen. Es hätte zumindest einen Epilog geben müssen, so drückt sich der Autor um die eigene Aussage des Romanes.
An sich ist der Roman okay, aber das Ende ließ mich verärgert zurück.
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Bin derselben Meinung wie du. Das Buch hat mir wirklich gefallen – bis zum Ende. Es wird absolut nichts aufgelöst und irgendwie hat man das Gefühl, dass der Autor es sich mit dem Ende nur einfach gemacht hat. Keiner der Konflikte im Buch wird gelöst, der Leser einfach hängen gelassen. Wenn es einen zweiten Band gibt, okay, wenn nicht… Leider sehr enttäuschend.
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Es ist wohl als Einzelroman angelegt.
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Aus diesem Blickwinkel hatte ich das noch gar nicht betrachtet und ich kann verstehen, warum ihr vom Ende enttäuscht seid. Mir persönlich ging es nicht so, da die Geschichte sich einfach sehr auf das Innere Coming-out konzentriert und in meinen Augen nicht das Ziel hatte zu zeigen, wie man sich der Gesellschaft stellt, sondern wie man sich sich selbst stellt. Gleichzeitig wäre eine Fortsetzung auch für mich sehr spannend, gerade um die Entwicklung in dieser doch eher exklusiven Gesellschaft mitzuverfolgen. Vielleicht gibt es ja doch noch ein Wiedersehen mit Rowan & Ash.
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(Achtung, Spoiler!)
Hallöchen!
Habe das Buch gelesen und fand es insgesamt ganz gut. Das offene Ende, das in den anderen Kommentaren angesprochen wird, hat mich hierbei nicht gestört, aber dafür fand ich Ash‘ Entscheidung, die Rowan zum Handeln zwingt, etwas … fragwürdig. Im Grunde hat er verlangt, dass Rowan sein Leben in Gefahr bringt, um ihn zu retten, mit der sehr großen Wahrscheinlichkeit, es zu verlieren. Zwar ist letztendlich alles gut gegangen, aber ich frage mich wirklich, wie Ash reagiert hätte, wäre bspw. Solangé gestorben, wie es für kurze Zeit den Anschein hatte. Meiner Meinung nach hätte er Rowan niemals auf diese Weise „erpressen“ sollen – ich kann verstehen, dass er nicht möchte, dass Rowan ein Leben lebt, mit dem er nicht glücklich ist, aber es hätte auch andere, harmlosere Weisen gegeben, ihm seine Gefühle begreiflich zu machen.
Nichtsdestotrotz fand ich ihre Beziehung gut aufgebaut und Nebencharaktere wie Raven und Solangé sehr sympathisch. Gerade, dass die Geschichte in einem Fantasy-Setting spielte, war besonders toll, weil Coming-Out-Geschichten hier eher selten sind; zumindest in den Fantasy-Büchern, die ich gelesen habe, mussten die Charaktere sich nie über solche Probleme Gedanken machen. Deshalb fand ich es echt interessant, Rowans Zweifel in einer Welt, in der seine Präferenzen nicht anerkannt sind, zu verfolgen.
Danke für das Review! 🙂
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Liebe Tatajana, danke für den Einblick in deine Gefühlswelt zum Buch! Ich kann das alles sehr gut nachvollziehen. Ich frage mich immer wieder, inwieweit Bücher einen „erziehenden“ Charakter einnehmen sollten und inwieweit es okay ist, dass sich Charaktere echt ungut verhalten. Am Ende ging ja zum Glück alles gut aus, aber dein Gefühl damit verstehe ich gut…
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