Die stille Seite der Musik Cover (© Traumtänzer-Verlag)

[Rezension] Die stille Seite der Musik von Svea Lundberg

Einer meiner ersten Kontakte, die ich zur Eröffnung meines Blogs zu Autoren hatte, war der zu Julia Fränkle alias Svea Lundberg. Als mein Blog noch ganz klein war, freute sie sich über seine Entstehung und teilte ihn, damit noch mehr Menschen Freude daran finden konnten. Nun ist es endlich soweit und ich konnte mir selbst ein Bild darüber verschaffen, was in ihren Büchern steckt. Julia schreibt im Bereich Fantasy unter ihrem Klarnamen und Contemporary als Svea Lundberg, worunter auch ihr Jugendbuch Die stille Seite der Musik* fällt. Die meisten ihrer Bücher bewegen sich jedoch nicht im Jugend-Genre; im Mai 2019 ist z.B. mit Sheltered in blue – Wenn Barrikaden brennen* zuletzt der Auftakt einer Reihe über Einsatzkräfe bei der Polizei erschienen, die sich eher an ein erwachsenes Publikum richtet. Ihr Jugendbuch ist im Januar 2017 im Traumtänzer-Verlag erschienen, hat 272 Seiten und kostet 12,95 €.

Kurzbeschreibung Inhalt

Tino liebt und lebt klassische Musik. Nicht nur sein Vater ist bis zu seinem Tod ein erfolgreicher Pianist gewesen, sondern auch Tino dachte immer, dass das sein einzig wahrer Lebenstraum sein würde. Als bei einem Autounfall seine Hand zertrümmert wird, weiß Tino überhaupt nicht mehr, wie es für ihn weitergehen soll. Nach Monaten voller Operationen soll er schließlich zu Erholung auf den Pferdehof seiner Tante an die Ostsee. Dort trifft er auf den gehörlosen Flo, der ihn von Anfang an verzaubert. Sein vermeintliches Handicap scheint ihm überhaupt nichts auszumachen – da kann Tino noch einiges von ihm lernen. Mit der Zeit kommen sie sich näher und Tino findet einen Weg, mit seinem Schicksal zu leben…

Meine Meinung

Dass Gehörlose Musik ganz anders wahrnehmen als wir Hörenden, fand ich schon immer faszinierend. Es gibt gehörlose Profitänzer, da sie die Musik über die Bässe wahrnehmen, nicht zuletzt hat dieses Jahr mit dem Schauspieler Benjamin Piwko der erste gehörlose Kandidat bei Let’s Dance teilgenommen. Was passiert, wenn ein hörender Pianist, dessen Karriere und Leidenschaft sich innerhalb eines Augenblicks zerschlagen haben, und ein gehörloser Pferdewirt aufeinandertreffen und viel Zeit miteinander verbringen? Genau dieses Grundthema der Geschichte fand ich schon wahnsinnig spannend.

Auf den ersten Seiten macht uns die Autorin den Einstieg in die Musik und die Liebe, die Tino zu ihr spürt, sehr leicht. Warum eigentlich nehmen wir Menschen Moll-Dreiklänge eher schwermütig wahr, wogegen Dur-Dreiklänge mit Leichtigkeit und Freude in Verbindung gebracht werden? Die ersten Seiten haben mich schon total vereinnahmt und so hat Tinos Unfall, der kurze Zeit später beschrieben wird, mich mit ihm in die Trauer herabgezogen. Ein Lebenstraum, der zerplatzt. Eine Mutter, für die der Verlust noch schlimmer zu sein scheint als für Tino selbst und die nicht loslassen kann. Und dann kommt Flo, dem sein fehlender Hörsinn überhaupt nicht zu fehlen scheint und der für Tino purer Sonnenschein ist.

Ich weiß nicht, inwieweit die Autorin selbst Gehörlose in ihrem Bekanntenkreis hat oder damit sonst irgendwie in Verbindung steht – ich hatte jedenfalls zu jeder Zeit das Gefühl, dass sie ganz genau weiß, wovon sie schreibt. Wie Gehörlose interagieren, Lippenlesen, Gefühlen sehr viel stärker über ihre Mimik Ausdruck verleihen und für die Körperkontakt eine Selbstverständlichkeit ist, die andere zu Beginn überrumpeln kann. Dass ausgerechnet ein Gehörloser Tino aus seiner Verzweiflung holt, hat mir sehr gut gefallen. Die Charaktere sind sehr lebendig und liebevoll beschrieben, sodass man gerne in den Seiten versinkt. Die anfänglichen Missverständnisse zwischen Tino und Flo und Flos Leichtigkeit sorgen für einige humorvolle Stellen, die mir ein Schmunzeln auf’s Gesicht gezaubert haben.

Romantik nimmt in diesem Buch einen sehr großen Teil ein, womit ich zu Beginn nicht gerechnet habe. Ich wusste, dass mich eine Liebesgeschichte erwartet – allerdings bin ich davon ausgegangen, dass Tino nach seinem Unfall sehr viel verarbeiten muss, wobei ihn Flo auf seine Weise intensiv unterstützt. Die Anziehung bestand jedoch von Anfang an auf einer eher oberflächlichen Ebene (Tino findet Flo sweet und sexy), die mich sehr an Schwärmereien im Teenageralter erinnert hat und sich erst mit der Zeit festigt. Der Schwerpunkt liegt in diesem Buch definitiv auf der Liebesgeschichte und weniger auf Tinos Schicksalsschlag. Die Geschichte enthält außerdem einige sehr explizit beschriebene Sexszenen, die ich so in einem Jugendbuch nicht unbedingt erwartet hätte.

Was mir wiederum sehr gut gefallen hat, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Sexualität beschrieben wird. Der Protagonist ist bisexuell und versucht lediglich herauszufinden, ob Flo auch auf Männer steht – ein Problem ist Sexualität besteht hier in keinster Weise. Auch das Coming Out vor Tinos Mutter passiert eher unkompliziert, fast nebenbei und ohne die üblichen Schubladen. Ich hoffe, dass Jugendliche zukünftig immer mehr eine solche Erfahrung machen können und keine Angst mehr davor haben, dass ihre Eltern sie für »missraten« halten.

Fazit

Die Autorin beginnt ihre Geschichte mit der spannenden Ausgangssituation eines Hörenden, der seinem Traum von Musik nicht mehr nachgehen kann und einem Gehörlosen, der Musik ganz anders wahrnimmt und ihn Schritt für Schritt aus seiner Verzweiflung holt. Der Fokus lag stärker als erwartet auf der Romanze der beiden Protagonisten und das Buch enthält teilweise sehr explizite Szenen, was ich aus Jugendbüchern nicht gewöhnt bin. Dennoch konnten mich besonders die liebevoll ausgearbeiteten Charaktere und eine Portion Humor von der Geschichte überzeugen, die sich gut für Zwischendurch eignet. Die selbstveständliche Darstellung unterschiedlicher Sexualitäten und eines unkomplizierten Coming Outs fand ich ebenfalls sehr gelungen. Zu empfehlen besonders an Pferdeliebhaber. 🙂

Humor: ●●●○○
Anspruch: ●●○○○
Spannung: ●●○○○
Liebe: ●●●●○
Erotik: ●●●●○
Originalität: ●●●○○

Weitere gern gelesene Eindrücke dazu:

Buchbahnhof* • Like a Dream* • Tina Alba*

Eure Hannah 🙂

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