Was mir von dir bleibt Cover (© Arctis Verlag)

[Rezension] Was mir von dir bleibt von Adam Silvera

Adam Silvera hat in den letzten Jahren einen Senkrecht-Start in Sachen queerer Jugendbücher hingelegt, die glücklicherweise nach und nach auch im deutschsprachigen Raum ankommen. Als erstes wurde sein Jugendroman Am Ende sterben wir sowieso ins Deutsche übersetzt, in dem zwei Jugendliche aufeinandertreffen, die nur noch einen Tag zu leben haben – weil ihnen das vom »Death Cast« prophezeit wurde und sie ihren letzten Tag mit jemandem teilen wollen. Was mir von dir bleibt* ist schon zuvor aus Silveras Feder geflossen und ich freue mich sehr, dass seine Romane offensichtlich auch hier genug Gefallen finden, um noch weitere Übersetzungen anzustoßen. Sein neuestes Buch hat er gemeinsam mit Becky Albertalli geschrieben, der Autorin von Love, Simon (Nur drei Worte). Dass dieses Buch unter dem Titel »Was ist mit uns« nun auch im September 2019 auf Deutsch rauskommt, kann nur eines bedeuten: Adam Silvera ist auf dem Vormarsch! Das Buch, um das es in diesem Beitrag geht, ist womöglich sein traurigstes, wobei sich darüber streiten lässt. Es ist im März 2019 im Arctis Verlag erschienen, hat 368 Seiten und kostet 18,00 €.

Kurzbeschreibung Inhalt

Griffin ist das Undenkbarste passiert – seine große Liebe und bester Freund Theo ist tot. Gestorben durch einen Unfall. Dabei hatte er ihm vor seinem Wegzug doch versprochen, niemals zu sterben. Zusammen alt werden, das war ihr Plan, auch wenn sich Griffin vorsorglich von Theo getrennt hatte, als dieser am College am anderen Ende des Landes angenommen wurde… Liebe nimmt eine Trennung jedenfalls nicht mit. Dass Theo sich nach der Trennung in Jackson verliebt hat, ändert auch nichts daran. Auf Theos Beerdigung begegnen sich die beiden erstmals, und Griffin scheint es überhaupt nicht mehr aus seinem Loch hinauszuschaffen. Seine Zwangsstörungen sind dabei auch nicht gerade hilfreich. Doch Jackson scheint der einzige zu sein, der versteht, was Griffin durchmacht. Kann der Junge, den Griffin eigentlich niemals treffen wollte, letztendlich doch gut für ihn sein?

Meine Meinung

Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt: Gegenwart und Geschichte. Die Gegenwart beginnt mit Theos Beerdigung, wo auch die Geschichte endet. Wir erfahren also nahezu zeitgleich, wie sich Griffins tatsächlicher Verlust von Theo anfühlt, sowie auch wie er nach und nach miterleben musste, wie er ihm durch die Entfernung entgleitet – und womöglich sein neues Glück in Jackson findet.

Griffin ist ein sehr komplexer Charakter, der es von Beginn an nicht leicht hat. Sein Innerstes zeigt er besonders zwischen den Zeilen, denn ehrlich ist er zu sich selbst nicht immer. Seit seiner Jugendzeit hat er mehr und mehr Zwänge entwickelt: Es darf niemand links von ihm gehen, gerade Zahlen sind gut, ungerade machen ihn nervös. Durch seine Trauer nehmen die Zwänge überhand und drohen die Kontrolle über ihn zu gewinnen.

Mit Theo scheint er sein Glück gefunden zu haben, denn er akzeptiert ihn so, wie er ist; seine Zwänge machen Griffin in seinen Augen besonders. Sie hatten ihr Coming Out gemeinsam und sind der jeweils erste Freund für den anderen – aufgebaut auf jahrelanger Freundschaft. Als Theo stirbt, scheint plötzlich nichts mehr möglich.

Was mir von dir bleibt* ist ein ruhiges Buch. Es hat keine großen Höhen und Tiefen, vielmehr befinden wir uns ständig in chaotischer Tiefe, die einen droht hinabzuziehen. Doch vor allem ist es ein Buch, das uns gemeinsam mit Griffin wieder aus dieser Tiefe auftauchen lässt. Es zeigt uns, dass vieles möglich ist, das man nie von sich gedacht hätte. Und dass auch so etwas wie Liebe da sein kann, wo man es nie erwartet hätte. Man sollte sich übrigens nicht zu sehr von der vermeintlichen Vorhersehbarkeit der Geschichte täuschen lassen. Es entwickelt sich definitiv anders als gedacht.

Was Adam Silvera immer gelingt: vielschichtige, lebendige, fast zum Anfassen lebensechte Charaktere. Und dabei sind sie so verschieden. Ich liebe es allein schon der Charaktere wegen in seine Geschichten abzutauchen. Diversität ist dabei stets selbstverständlich und Sexualität kein großes Thema und kein Problem. In Schubladen steckt er seine Charaktere dabei nicht – sie lieben, wen sie lieben. Manche nur Jungs, manche Mädchen und Jungs. Keine Labels.

Bevor ich mit dem Lesen begann, wurde ich vorgewarnt, dass ich unbedingt Taschentücher brauchen würde. Um ehrlich zu sein, habe ich gar keine gebraucht. An zwei Stellen habe ich ein paar Tränchen verdrückt, doch hauptsächlich war ich zwar emotional ganz nah dabei, jedoch selten haltlos verzweifelt. Man merkt beim Lesen schnell, dass das Schlimmste schon passiert ist. Es geht aufwärts, wenn auch nicht geradlinig. Dass ich keine Taschentuchbox vollgeheult habe, heißt jedoch nicht, dass das Buch emotional nicht ergreifend war. Der Autor hat ein unglaubliches Talent dafür, einen auch in den schlimmsten Situationen aufzubauen und mitzutragen.

Trotzdem hat mir persönlich Am Ende sterben wir sowieso noch etwas mehr gegeben als Was mir von dir bleibt*. Es war skurriler, spannender und irgendwie endgültiger – was ich persönlich einfach lieber mag. Nichtsdestotrotz ist ihm mit diesem Roman die Darstellung einer intensiven Trauerverarbeitung auf authentische und jugendgerechte Weise gelungen, die ich problemlos empfehlen kann.

Fazit

Was mir von dir bleibt* lässt einen ganz nah an Griffin die Trauer erleben, die er seit dem Unfalltod seiner ersten Liebe und besten Freundes durchlebt. Komplexe, lebensechte und diverse Charaktere sind bei Adam Silveras Büchern garantiert – noch dazu verzichtet er fast komplett auf Labels und lässt seine Figuren einfach lieben. Neben der Trauerbewältigung geht es vor allem um Wachstum, ums Stärkerwerden und den Umgang mit Zwängen zu lernen, die Griffin zu beherrschen drohen. Es beginnt in tiefster Traurigkeit, aus der Griffin sich langsam herausarbeitet, wobei man besonders zwicshen den Zeilen lesen muss. Mir persönlich hat Am Ende sterben wir sowieso zwar noch ein bisschen besser gefallen, trotzdem kann ich auch dieses Buch besonders denjenigen empfehlen, die intensive Geschichten mögen, die einen positiven Nachklang haben.

Humor: ●●○○○
Anspruch: ●●●○○
Spannung: ●●○○○
Liebe: ●●●●○
Erotik: ●●○○○
Originalität: ●●●○○

Weitere gern gelesene Eindrücke dazu:

Corni Holmes* • Like a Dream* • Kaddies Buchwelt*

Eure Hannah 🙂

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5 Gedanken zu “[Rezension] Was mir von dir bleibt von Adam Silvera

  1. Eine schöne Rezension 😀 Ich habe das Buch auch vor Kurzem gelesen und fand Am Ende sterben wir sowieso auch noch einen Ticken besser. Kennst du die Bücher von Benjamin Alire Saenz?

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  2. […] Auf Was mir von dir bleibt* warte ich schon eine halbe Ewigkeit, denn spätestens, nachdem ich Adam Silveras Am Ende sterben wir sowieso verschlungen hatte, war es um mich geschehen. Kein anderer Autor, den ich kenne, verpackt Diversität auf so natürliche, erfrischende und moderne Art in spannende und hochemotionale Jugendliteratur wie er. In dieser neuen Übersetzung geht es um Griffin, der vom Unfalltod seines Exfreunds Theo erfährt. Auch wenn Theo zum Studieren weggezogen war und sich mit einem anderen getroffen hat, war Griffin eigentlich immer davon überzeugt geblieben, dass sie irgendwann wieder eine gemeinsame Zukunft haben würden. Griffin verliert sich selbst daraufhin vollkommen und muss erst einmal einen Weg finden, sich seinen eigenen Monstern zu stellen, bevor für ihn ein Leben ohne Theo auch nur denkbar wird. Im einen Buch sterben beide, im anderen bleibt einer zurück: Bei Adam Silvera sind Tränen vorprogrammiert. Das Buch erscheint am 22. März 2019 im Arctis Verlag, hat 368 Seiten und kostet 18,00 €. (Inzwischen gelesen und rezensiert!) […]

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